Ein Grundriss der Kyudo-Geschichte

Der Bogen gehört zu den ältesten Waffen, die vom Menschen erfunden wurden. Dies trifft auch bei der Urbevölkerung Japans zu, wo der Bogen schon früh seine ungewöhnliche, asymmetrische Form erhielt. Warum es dazu kam, ist bis heute nicht eindeutig geklärt.

Der Volksheld Nasu-no-Yoichi bei der Schlacht von Yashima (1185 n. Chr.).

In einem Zeitalter großer Unruhen zwischen den 12. und 16. Jahrhunderten n. Chr. (Kamakura-, Muromachi- und Azuchi-Momoyama-Periode) bildeten sich eine Vielzahl verschiedener Schulen der Bogenkunst. Tatsächlich war es üblich, dass in jeder Armee ein eigener Stil des Schießens entwickelt wurde: ganz besonders taten sich die berittenen Schützen der Klans der Takeda und Ogasawara, sowie die von Heki Danjō Masatsugu ausgebildeten Fußsoldaten im Kampf hervor.

Mit dem Auftauchen portugiesischer Luntengewehre verlor der Bogen jedoch allmählich an Bedeutung. Um diese Kunst zu bewahren, entwickelte sich im japanischen Adel das Bogenschießen zu einem wichtigen Teil von Zeremonien und Prüfungen der eigenen Ausdauer und Willenskraft.

Tōshiya: das große Turnier am Tempel Sanjūsangendō in Kyōto.

Nachdem Japan sich über Jahrhunderte dem Ausland verschlossen hatte, führte die Restauration der Autorität des Kaisers 1868 (Beginn der Meiji-Ära) zur vollständigen Entmachtung des Shogunats und der Samurai. In dieser Zeit war es wohl vor allem Honda Toshizane, einem Professor der Universität Tokio zu verdanken, dass die Kunst des Bogenschießens nicht gänzlich in Vergessenheit geriet. Er führte die verschiedenen kriegerischen und zeremoniellen Stile zur neuen Honda-ryū Schule zusammen, die in der Öffentlichkeit auf großes Interesse stieß.

Kyudo, wie wir es heute kennen, entstand schließlich im Jahr 1949 mit der Gründung des Zen-Nihon Kyūdō Renmei, dem Gesamt-Japanischen Kyudo-Verband. Nach den vom ZNKR niedergelegten Regelwerken für Form und Lehre wird Kyudo nun weltweit von etwa einer halben Million Menschen praktiziert.

Kyudo in Deutschland

Mit dem Besuch des Universitätsprofessors Inagaki Genshirō (Hanshi, 9. Dan) im Jahr 1968 kam Kyudo erstmals auch nach Deutschland. Als Großmeister der alten Heki-ryū Insai-ha bildete Prof. Inagaki in dieser Zeit viele zukünftige deutsche Trainer aus und kehrte beinahe jährlich nach Deutschland zurück. Bis zu seinem Tod im Jahr 1995 war er Bundestrainer des Deutschen Kyudo Bundes und für viele Kyudoka ein lebendes Vorbild. Auch heute werden die von ihm niedergeschriebenen Lehrtexte als wichtige Erläuterungen im Unterricht herangezogen.

In den Folgejahren wurde die deutsche Kyudo-Landschaft noch um weitere Schulen bereichert: so sind nun auch der moderne Stil des ZNKR und die traditionelle Honda-ryū in Deutschland angesiedelt.

1994 wurde der Deutsche Kyudo Bund (DKyuB) ins Leben gerufen. Als Mitglied des Deutschen Judo Bundes (DJB) ist er auch dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) angeschlossen.

Bundesweit haben aktuell etwa 1400 Menschen Kyudo für sich entdeckt. Der deutsche Verband ist somit nach Japan der zweitgrößte weltweit.

Ein Kyudo-Prüfungslehrgang in Bad Dürkheim.